Herrgottswinkel
von Clemens Gull
Der Begriff stammt aus dem Altbayrischen und bedeutet wörtlich übersetzt “Gottes Ecke”. Es handelt sich dabei um einen speziellen Bereich in einem Wohnhaus, der für religiöse Symbole und Artefakte reserviert ist.
Der Herrgottswinkel hat seinen Ursprung in der tief verwurzelten katholischen Tradition Bayerns und Österreichs. In einer Zeit, in der der Kirchgang oft beschwerlich und zeitaufwendig war, bot der Herrgottswinkel den Menschen einen privaten Ort der Andacht und des Gebets in ihren eigenen vier Wänden.
In der Regel befindet sich der Herrgottswinkel in der Stube, dem zentralen Wohnraum des Hauses. Er ist oft in der Ecke gegenüber der Tür (oder in alten Gebäuden gegenüber des Ofens) angeordnet, sodass er von jedem Punkt im Raum aus sichtbar ist. In diesem heiligen Winkel hängt in der Regel ein Kruzifix oder ein Heiligenbild, oft begleitet von anderen religiösen Gegenständen wie Rosenkränzen, Heiligenfiguren oder Kerzen.
Auch heute noch ist der Herrgottswinkel in vielen traditionellen Häusern in Bayern und Österreich zu finden. Er ist ein Zeichen der tiefen Religiosität dieser Regionen und ein Ausdruck der engen Verbindung zwischen Glauben und Alltag. Der Herrgottswinkel ist nicht nur ein Ort des Gebets, sondern auch ein Ort der Besinnung und des Innehaltens in der Hektik des Alltags.
In der modernen Architektur und Inneneinrichtung hat der Herrgottswinkel oft einen symbolischen Charakter. Er kann als Ausdruck der persönlichen Spiritualität und des Respekts vor der Tradition verstanden werden. In einigen Fällen wird der Herrgottswinkel auch in modernen Interpretationen umgesetzt, beispielsweise durch minimalistische Kreuze oder abstrakte religiöse Kunst oder auch persönliche Gegenstände (ohne tiefer religiöse Bedeutung).