Heischebräuche
Sternsingen
von Clemens Gull
Beim Sternsingen ziehen Kinder und Jugendliche der katholischen Pfarrgemeinden als Heilige Drei Könige verkleidet von Haus zu Haus, um die Weihnachtsbotschaft zu verkünden und Spenden für wohltätige Zwecke zu sammeln. Dieser Brauch, der seit dem 16. Jahrhundert bekannt ist, wurde durch die 1959 eingerichtete „Aktion Dreikönigssingen“ weiter verbreitet und organisiert.
Im 16. Jahrhundert wurde der Brauch des Sternsingens erstmals schriftlich erwähnt. Ursprünglich war er nur im Umkreis von Bischofssitzen und Stiften bekannt und wurde von Chor- und Klosterschülern in Anlehnung an die Legende des Johannes von Hildesheim ausgeübt. Im Zeitalter der Aufklärung an der Wende zum 19. Jahrhundert stieß der Umgang mit dem Stern in katholischen Gegenden auf Ablehnung. Doch kirchlich kontrolliert und in erneuerter Form verbreitete sich der Brauch erneut. In den 1930er Jahren entstand der organisatorische Rahmen, in dem das Sternsingen heute fast ausschließlich stattfindet. Besonders in Süddeutschland und Österreich gibt es kaum eine katholische Gemeinde, in der nicht Heilige Drei Könige umherziehen und Spenden für Hilfsprojekte sammeln.
Nach einem Aussendungsgottesdienst ziehen die Sternsinger in den Tagen vor dem Dreikönigsfest (6. Januar) oder direkt an diesem Tag los. Sie tragen einen Stern, singen Lieder, sagen Gedichte oder Gebete auf und schreiben mit geweihter Kreide den Segen „C+M+B“ an die Türen. Diese Buchstaben stehen für „Christus Mansionem Benedicat“ („Christus segne dieses Haus“). Die Spenden kommen heute meist Entwicklungshilfe-Projekten zugute.
Am 6. Januar, dem sogenannten Dreikönigstag, wird liturgisch Epiphanie gefeiert, das Hochfest der Erscheinung des Herrn. An diesem Tag feiert die Christenheit den Einzug des Gottkönigs in die Welt und das Offenbarwerden seiner Herrlichkeit. Erst später galt der 6. Januar in der Kirche auch als Gedenktag der Heiligen Drei Könige. In den ersten Jahrhunderten war der 6. Januar für die Christen zugleich der Weihnachtstag, was in den östlichen orthodoxen Kirchen bis heute so ist. Erst Mitte des 4. Jahrhunderts wurde in der weströmischen Kirche die Feier der Geburt Christi auf den 25. Dezember festgelegt. Am 6. Januar beginnt das kirchliche Jahr neu, und zum Sternsingen gehören traditionell auch Neujahrsgrüße.
Die Verehrung der Heiligen Drei Könige im Abendland setzte erst im 12. Jahrhundert von Köln aus ein. Dies hängt mit der „Entdeckung“ von Gebeinen zusammen, die den Heiligen Drei Königen zugeschrieben wurden. Diese Gebeine waren vermutlich erst im genannten Jahrhundert aus Konstantinopel nach Mailand gekommen. Nachdem Kaiser Friedrich Barbarossa Mailand erobert hatte, wurden sie nach Köln gebracht, wo sie 1164 ankamen.
Das Sternsingen ist somit nicht nur ein lebendiger Brauch, sondern auch ein Stück gelebter Geschichte, das die Weihnachtsbotschaft und den Segen in die Häuser bringt und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zu wohltätigen Zwecken leistet.